An die wichtige Bedeutung Mellingens als Gerichtsort erinnert uns die «Gerichtsstube» über dem Brückentor. Wir wissen, dass hier seit ca. 1530 Angeklagte befragt und in leichten Fällen auch ein Urteil gesprochen wurde. Über die schweren Fälle urteilte das Gericht regelmässig an öffentlichen Gerichtstagen, die in der Marktgasse in Sichtweite der Gerichtsstube stattfanden.

Sicher versuchten die Gerichte auch in Mellingen nach «bestem Wissen und Gewissen» gerecht zu Urteilen. Das «Erpressen» von Geständnissen durch blutige Folterungen war auch in Mellingen selbstverständlicher Teil der Rechtsprechung. Die Gerichtsstube muss man sich aber nicht als finsteren «Folterkeller» vorstellen, dafür hatte Mellingen das Gefängnis vermutlich im Zeitturm. Der Raum im alten Rathaus hatte eher die Funktion einer «Gerichtskanzlei». 

Es sind Fälle bekannt, bei denen die Mellinger Richter den Rat von Kollegen etwa aus Luzern einholten, um in einem verzwickten Fall richtig zu urteilen. Bekannt ist diese Unsicherheit und Verlegenheit aus einem der seltenen Hexenverfahren in Mellingen: Eine beschuldigte Frau wollte ihre «Hexerei» trotz furchtbarer Folterung  nicht gestehen, aber ohne Geständnis konnte nicht verurteilt werden. Was die Luzerner Richterkollegen den Mellingern geraten haben, wissen wir leider nicht. 

Eine Kritik an der blutigen Praxis der Justiz gab es selten. Die Richter urteilten streng und unbarmherzig entsprechend dem Rechtsempfinden des Volkes und den Vorgaben des römischen Rechts. Spannend sind darum Zeugnisse des Widerspruchs gegen Urteile der Gerichte und Beispiele die zeigen, dass sich die Menschen intensiv mit der Frage des «gerechten Richters» beschäftigt haben. 

 


Besichtigung der Gerichtsstube im Rahmen einer Stadtführung in Mellingen © Fotoarchiv-Mellingen

Museum Mellingen im Geschichtsraum Altstadt